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Reise ohne Wiederkehr

Am 3. November 1957 stirbt die Hündin Laika an Bord der sowjetischen Sputnik 2 einen qualvollen Tod.

Die tragische Geschichte der ersten Hündin im All

Laika in Raketenkapsel ©folgt

Am 3. November 1957 schrieb eine kleine Streunerin aus den Straßen Moskaus Geschichte. Laika, eine Mischlingshündin, war das erste Lebewesen, das vom Menschen in eine Umlaufbahn um die Erde gebracht wurde.

Mit seinem Unternehmen „Virgin Galactic“ bringt der britische Milliardär Richard Branson seit 2023 regelmäßig zahlungskräftige Kunden in den Weltraum. Elon Musks SpaceX bietet sogar 10-tägige Reisen zur Internationalen Raumstation (ISS) an. Er selbst träumt von einer Besiedelung des Mars. Angesichts solchen technischen Fortschritts ist kaum noch vorstellbar, wie die Raumfahrt vor mehr als 60 Jahren begann. Bemannte Raumfahrt klang damals wie Science Fiction. Sie wurde in kleinen Schritten wahr. Dem wissenschaftlichen Ehrgeiz wurden zuallererst Tiere geopfert, in den USA überwiegend Schimpansen, in der Sowjetunion Hunde. Unter ihnen nimmt die Moskauer Straßenhündin Laika eine besondere Rolle ein. Ihre Geschichte ist ein Mix aus wissenschaftlichem Ehrgeiz, politischer Propaganda und ethischer Reflexion.

Es ist Kalter Krieg. Im Wettlauf mit den Vereinigten Staaten um die Eroberung des Weltraums hat die Sowjetunion Anfang Oktober 1957 mit der Sputnik 1-Mission soeben das erste von Menschenhand geschaffene Objekt erfolgreich in die Erdumlaufbahn gebracht. Obwohl die 58 Zentimeter kleine Kugel drei Wochen lang nur ein „Piep, piep, piep“ zur Erde funkt, haben die Sowjets damit die Nase vorn. Doch Staatschef Nikita Chruschtschow will den Vorsprung ausbauen und ordnet deshalb an, nur einen Monat später einen zweiten Satelliten ins All zu schicken, pünktlich zum 40. Jahrestag der Oktoberrevolution am 7. November 1957. Als zusätzlicher Propaganda-Effekt soll diesmal ein Säugetier den Weltraum erreichen – und damit erforscht werden, ob ein lebendes Wesen einen Aufenthalt im All überstehen kann. Das Ziel ist letztendlich, den ersten Menschen ins All zu bringen.

„Dafür schoss die Sowjetunion zwischen 1951 und 1961 in Dutzenden Experimenten insgesamt 48 Hunde in den Weltraum. 20 von ihnen überlebten die Tests nicht“, schreibt das Nachrichtenmagazin SPIEGEL. „Die Wissenschaftler entwickelten Druckanzüge für Hunde, setzten ihnen gläserne Raumhelme auf, gewöhnten sie an die Enge der Raumkapseln, an heftige Vibrationen, an höllischen Raketenlärm. Sogar Beschleunigungstests mussten die Tiere über sich ergehen lassen, um zu lernen, wie es sich anfühlt, wenn das Fünffache des Körpergewichts auf ihnen lastet.“ Die Phoenix TV- Dokumentation „Die Kosmonauten-Hunde von Baikonur“ von 2017 zeichnet das Schicksal dieser Tiere nach.

Die Wissenschaftler am Institut für Luftfahrt in Moskau bevorzugen für ihre Versuche Straßenhunde, die als besonders zäh und erfahren im Überlebenskampf gelten. Und sie verwenden ausschließlich Weibchen, denn die heben nicht das Bein, um zu pinkeln, was in den maßgeschneiderten Raumanzügen und der Enge der Raumkaspel unmöglich wäre. Laika, eine dreijährige Husky-Spitz-Mischung, gerät in ein Netz der vom Institut angeheuerten Hundefänger. Mit ihrem Federgewicht von nur sechs Kilogramm entspricht sie genau den Anforderungen des Raumfahrtprogramms. Sie erweist sich zudem als besonders gelehrig und gehorsam – und ist mit ihrem wachen Blick und dem schönen, schwarz-weiß gemusterten Gesicht ausgesprochen fotogen. Gut für die PR in Fernsehen und Printmedien. Die sowjetischen Wissenschaftler und Techniker taufen die Hündin zunächst Kudrjawka (dt. Löckchen). Doch als sie später der Öffentlichkeit vorgestellt wird und dabei bellt, wird sie in Laika, „Kläffer“, umgetauft. Die amerikanische Presse nennt sie Muttnik (ein Wortspiel aus Sputnik und mutt, ein mischrassiger Hund).

Mit Laika werden noch zwei weitere Hündinnen auf den kommenden Weltraumeinsatz vorbereitet. Man schnallt die Versuchstiere auf Zentrifugen, um die Beschleunigung der Rakete zu simulieren, und sperrt sie in immer engere Käfige, in denen sie wochenlang bei Raketenlärm ausharren müssen, mit unappetitlichem Gel als Weltraumfutter, um sie an den Aufenthalt in dem nur 80 Zentimeter großen Metallzylinder zu gewöhnen. Das Resultat: Der Pulsschlag der Tiere verdoppelt sich, der Blutdruck steigt immens, sie stellen den Stoffwechsel ein, weshalb man ihnen Abführmittel gibt. „Ihnen werden Sonden unter die Haut implantiert, und ein Teil der Halsschlagader wird zum besseren Fixieren der Messgeräte nach außen auf die Haut verlegt. „Dies soll das Messen der Puls- und Blutdruckschwankungen erleichtern, die unter der Beschleunigungsbelastung und in der Schwerelosigkeit zu erwarten waren“, heißt es in der Phoenix TV-Dokumentation. Schließlich sei im Institut ein Raketenkopf mit einer Druckausgleichskabine angeliefert worden. „Die Testhunde akzeptierten sie nach und nach als ihr neues Zuhause.“

Laika erträgt all diese Pein am gelassensten. „Mit lauten Geräuschen konnte sie ebenso souverän umgehen wie mit einer speziellen Vorrichtung für den Stuhlgang. Damit setzt sie sich gegen die anderen Hündinnen durch“, berichtet das Online-Medium „Wissen„. Der Weltraumexperte Oleg Gasenko wählt Laika schließlich für den Weltraumflug aus – und schickt sie damit in den sicheren Tod. Denn die vier Wochen, die den Konstrukteuren noch bis zum Startermin bleiben, sind viel zu kurz, um ein verlässlichliches Rückkehrsystem für das Raumschiff zu entwickeln. Um Laika den qualvollen Verbrennungstod beim Wiedereintritt in die Atmosphäre zu ersparen, erwägt man, ihr nach sieben Tagen den Sauerstoff in der Kapsel abzudrehen oder ihr vergiftetes Futter zu verabreichen. Nichts davon wird umgesetzt.

Nach einem Dokument der NASA wird Laika bereits am 31. Oktober 1957 in der Raketenkaspel am Startgelände, dem Weltraumbahnhof Kosmodrom Baikonur in Kasachstan, untergebracht, drei Tage vor dem Start der Mission. Die druckregulierte Kabine ist innen gepolstert und bietet so viel Raum, dass Laika stehen oder liegen, sich aber nicht umdrehen kann. Sie wird so positioniert, dass ihr Gesicht einem kleinen Guckloch zugewandt ist, durch das die Wissenschaftler sie beobachten können – sie aber auch nach außen blicken kann. Ein Lüftungssystem versorgt die Zelle mit Sauerstoff, und ein Ventilator kühlt sie, sobald die Innentemperatur 15 °C übersteigt. Laika sei in ihrer Isolationszelle völlig ruhig geblieben, genauso so, wie sie es in den Vorbereitungstests gelernt hatte, heißt es in dem Dokumentarfilm „Laika: The Tragic Story of the First Dog in Space“ (Laika: Die tragische Geschichte des ersten Hundes im All) von Geno Samuel aus dem Jahr 2023. Der Film zeichnet die Vorbereitungen und die Mission selbst akribisch nach. Noch vor dem Start hätte ein Druckanstieg in der Raketenkapsel behoben werden müssen. Und Laika hätte bereits ihre ganzen Nahrungsvorräte verbraucht. Da aber die Rakete bald starten soll, habe man nur noch ein wenig Wasser nachfüllen können.

Laikas Raumanzug / James Duncan

Am 3. November 1957, um 17:30 Uhr Ortszeit, startet Laika dann ihre Reise ohne Wiederkehr – von den Wissenschaftlern live beobachtet mittels einer Kamera. Während der ersten Minuten nach dem Start zeigen die Sensoren an, dass das Herz der kleinen Hündin zu rasen beginnt und ihr Blutdruck auf 260 steigt. Erst nachdem sie die Erdumlaufbahn und damit die Schwerelosigkeit erreicht hat, sinkt ihr Puls wieder. Während der ersten beiden Umlaufbahnen beginnt die Temperatur in der Kapsel, gefährlich anzusteigen. Nach etwa fünf bis sieben Stunden Flugzeit und drei bis vier Erdumrundungen kommen über die Messgeräte keine Lebenszeichen mehr. Welche Angst und dann Panik muss die Hündin gehabt haben… ganz allein, gefangen in der engen Raumschiffkapsel und umgeben vom Getöse und der Vibration der Triebwerke. Ihr toter Körper kreist in dem Satellit noch fünf Monate lang und 2750 Mal um die Erde, bis er am 14. April 1958 beim Wiedereintritt des Satelliten in die Atmosphäre mit ihm verglüht.

Wegen Laikas Beteiligung hagelte es bereits seit der ersten Bekanntmachung der Mission Kritik von westlichen Tierschützern. Die sowjetische Führung hält das Ableben der Hündin daher für eine ganze Woche geheim. Jahrzehntelang macht sie danach über Laikas Schicksal noch widersprüchliche und falsche Angaben. Die Hündin hätte die Mission nach einer Woche erfolgreich beendet, sei dann aber nach einem mit starkem Gift versetzten letzten Mahl schnell und „friedlich“ gestorben, ist eine Version. Zwar gibt es Gerüchte, wonach Laika in der Kapsel schlicht die Luft ausgegangen sei, die Wahrheit kommt aber erst 2002 durch den Biologen Dmitri Malaschenkow, einem der Wissenschaftler beim Sputnik-2-Programm, während einer Konferenz im texanischen Houston ans Licht. Die hier im Text erwähnten Filmdokumentationen von Phoenix und Geno Samuel zeigen, dass aufgrund fehlerhafter Technik die Umlaufbahn eklyptischer als geplant verlief, so dass der Satellit näher und länger der Sonne zugewandt blieb. Das Kühlsystem ist damit überfordert, und die Temperatur in der Kapsel steigt auf 41 Grad. Mehr als Laikas kleiner Körper verkraften kann. Sie stirbt nicht „friedlich“, sondern einen qualvollen Hitzetod.

Dennoch gibt es nach Laika weitere Weltraum-Missionen mit Hunden, von denen einige sogar lebend zurückkehren. Berühmt werden die Hündinnen Belka und Strelka, die im August 1960 als erste wohlbehalten zur Erde zurückkehren, nachdem sie mit der inzwischen weiterentwickelten „Sputnik 5“ die Erde während eines ganzen Tages 18 Mal umkreist haben. Strelka bringt 1961 Welpen zur Welt, von denen der sowjetische Staatschef Chruschtschow – medienwirksam – einen der US-Präsidentengattin Jackie Kennedy schenkt.

In demselben Jahr, am 12. April 1961, umkreist dann der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin an Bord der Wostok 1 als erster Mensch die Erde. Zwei Jahre später folgte die erste Kosmonautin, Walentina Tereschkowa. Laikas Opfer war also nicht umsonst. Sagen diejenigen, die ihr Himmelfahrtskommando in rein wissenschaftlichem Licht betrachten. Erst durch ihren Flug sei nachgewiesen worden, dass Lebewesen unter Schwerelosigkeit überleben können. Insofern seien auch die wenigen Stunden, in denen Sputnik 2 die weltweit ersten biomedizinischen Daten aus dem All übermittelte, ein Meilenstein in der Raumfahrtgeschichte. Ihre Mission habe zu Verbesserungen der Lebenserhaltungssysteme geführt und den Weg für die bemannte Raumfahrt geebnet. Laika bleibe als ihre Pionierin auf ewig in Erinnerung.

Die Hündin hätte es sicherlich vorgezogen, durch die Straßen von Moskau zu streunen und weiter zu leben. In gewisser Weise tut sie dies bis heute, denn posthum stieg sie zur nationalen Heldin auf. So ist auf der Erinnerungstafel für die tödlich verunglückten Kosmonauten in Moskau in einer Ecke auch Laika zu sehen. Ein nur für sie errichtetes Denkmal zeigt die Hündin auf einer stilisierten Rakete stehend. Auf der ganzen Welt wurden Briefmarken mit ihrem Kopf gedruckt sowie Schokoladen und Zigaretten nach ihr benannt. In der Antarktis gibt es Lajka Island. Ihren Namen borgten sich die finnische Surf-Rockband Laika & The Cosmonauts, die britische Alternativ-Rockband Laika und der deutsche Laika-Buchverlag.

Gedichte, Romane, Filme und Lieder sind der sanftmütigen Mischlingshündin gewidmet… Das wohl jüngste Beispiel ist der irische Beitrag zum Eurovision Song Contest 2025 von Emmy, der allerdings nicht nur musikalisch, sondern auch wegen des Titels Laika Party zu wünschen übrig lässt. Es geht um die Vorstellung, dass Laika im Weltraum überlebt habe und dort ein Fest feiert. Auch die spanische Popgruppe Mecano widmete Laika auf ihrem im Jahr 1988 erschienenen Album „Descanso dominical“ ein Lied. Das Musikvideo dazu zeigt seltene dokumentarische Aufnahmen von Laika, die ans Herz gehen, unter anderem wie sie eingefangen und trainiert wird. Und dann noch der australische Sänger Wil Wagner: Er beschreibt in seinem sehr berührenden Song Laika aus dem Jahr 2013 die letzten Stunden der Hündin auf ihrer Mission – aus Sicht des Tiers.

Nach dem Ende des Kalten Krieges drückten etliche Mitarbeiter im Sputnik-Projekt ihr Bedauern über Laikas tragisches Schickal aus. „Ich habe sie um Verzeihung gebeten, sie ein letztes Mal gestreichelt und dabei geweint“, erinnerte sich die russische Biologin Adilja Kotowskaja. Oleg Gasenko, der Laika in der Zentrifuge und im Trainingskäfig „ausgebildet“ hatte, sagte 1998: „Je mehr Zeit vergeht, desto mehr tut es mir leid. Wir haben durch die Mission nicht genug gelernt, um den Tod der Hündin zu rechtfertigen.“

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