Flug über den Flathead Lake und Weihnachtsmarkt in Whitefish
Ich bin wieder dort, wo ich vor einem Jahr um die gleiche Zeit war: in Montana. Wie damals warte ich wieder auf „richtigen“ Schnee. Drei Dinge habe ich mir für diesen Aufenthalt im Big Sky Country, dem „Land des großen Himmels“ vorgenommen. Und dann gibt es ja jede Menge Überraschungen auf dem Weg..
Ankunft
Das erste große AHA hatte ich bereits beim Landeanflug auf den Glacier Park International Airport: Noch hoch über den Wolken, aber die Bergspitzen der Rocky Mountains-Ausläufer bereits im Blick, sah ich plötzlich – einen Regenbogen! Oder, genauer gesagt: einen Regenbogen-Kreis. In seiner Mitte spiegelte sich im Sonnenlicht unser Sky West-Flieger. Im ersten Augenblick sahen meine Augen statt des Flugzeugs einen Hai, mit Schwanz und Seitenflossen.. nur die Rückflosse fehlte, damit, was ich sah, tatsächlich ein Hai über den Wolken sein konnte.
Mein Foto davon ist zur Zeit das Coverfoto auf meiner Landing Page. Für die Zeit danach, wenn ich weiterreise und wieder ein anderes Coverfoto habe, und für alle, die direkt auf dieser Seite hier landen, mein Schnappschuss von dem in meinen Augen spektakulären Ereignis:
Auf der Farm
Die nächsten Tage verbrachte ich auf einer kleinen Farm in der Nähe von Whitefish, dem Touristenzentrum der Region, eine halbe Stunde vom Glacier Nationalpark entfernt. So weit nördlich und etwas höher gelegen, waren die Felder und Hügel hier bereits mit Schnee verhüllt. Ich musste Spikes an meine Stiefel schnallen, damit ich auf den vereisten Flächen auf dem Hof nicht ausrutschte. Vor zwei Jahren hatte ich mir bei einem solchen Unfall in South Dakota mein rechtes Handgelenk gebrochen, das sollte das erste und letzte Mal gewesen sein. Jetzt musste ich über den Hof laufen, um zweimal am Tag den beiden Pferden, Trinity und Commander, Heu auf die Weide zu bringen. Erfahrung mit Pferden? Null. Zum Glück musste ich nicht viel tun: das Heu abwiegen, es in zwei große blaue Plastiktaschen stopfen und diese am Hühnerhaus vorbei zu einer Stelle tragen, die frei von Pferdeäpfeln war, und dort ausschütten. Trinity, die 12 Jahre alte schwarze Stute, lief neben mir her und zupfte dabei vorwitzig Heubüschel aus der Tasche. Obwohl sie mir dabei sehr nahe kam, verspürte ich keine Angst. Die Besitzerin hatte mir vorher erklärt, wie ich mich in Gegenwart der Pferde am besten verhalte. Ich erfuhr, dass, weil ihre Augen seitlich am Kopf sitzen, Pferde fast 360° sehen können, mit Ausnahme eines toten Winkels vor der Nase und einem weiteren toten Winkel direkt hinter der Hinterhand. Deshalb soll man sich Pferden von der Seite nähern. Vielleicht mögen sie es wegen des toten Winkels vor ihrer Nase nicht wirklich, wenn man sie vorn am Kopf streichelt. Pferde hätten es viel lieber, wenn man sie an ihrer Schulter anfasst, wird mir gesagt.
Dann lerne ich noch, im Schnee einen ATV zu fahren. ATV ist die Abkürzung für all-terrain vehicle, deutsch: „Geländefahrzeug“, mit vier Rädern und breiten Reifen, aber ohne Dach. Auch „Quad“ genannt. Das Feeling ist mehr wie auf einem Motorrad als in einem Auto. Einige Male fuhr ich auf den holprigen Pfaden, die sich teils schräg am Hügelhang neigten, gegen einen Baum. ATVs sind robust, und nach ein paar Tagen hatte ich den Dreh raus. (Text und Fotos auf der aktuellen Landingpage).
Whitefish
Whitefish, das Touristenzentrum, ist nur rund zehn Kilometer von der Farm entfernt. Jedes Jahr findet dort Anfang Dezember der Christmas Stroll statt. Ein Weihnachtmarkt, für den ein ganzer Straßenzug in der Stadtmitte einen Abend lang für den Verkehr gesperrt wird. Dort flanieren die Besucher dann an den Verkaufsbuden vorbei, machen einen Abstecher in eine der geöffneten Galerien und Geschäfte oder in den Bulldog Saloon. Dessen Gästetoiletten sind an Türen und Wänden mit einer Unmenge von Pin-Ups geschmückt – heterosexuell geschlechtergerecht. Also das Damen-WC mit Fotos von Oben-Ohne Athleten mit Sixpack und eng anliegender Hose, und das Männer-WC.. nun ja. Allein wegen dieses Kuriosums sei an dieser Stelle ein Besuch des Bulldog Saloons wärmstens empfohlen.
Draußen in der Kälte ist alles familiengerecht. Viele junge Väter haben ihre Kids im Schlepptau. Jedes Mal, wenn ich aus einem Becher Dampf aufsteigen sehe, denke ich: Glühwein! Doch jedes Mal ist es leider nur Kaffee. Auch sehe ich keine frisch gerösteten Mandeln und Maronen. Und Zuckerwatte vermisse ich, die ich als Kind auf dem Nürnberger Christkindlsmarkt immer verschlungen habe. Stück für Stück biss ich von der klebrigen weiße Masse ab, bis ich nur noch den überdimensionierten Zahnstocher aus Holz in der Hand hielt, um die die Watte gewickelt worden war. In Whitefish, Montana, gibt es „nur“ geröstete Marsh Mellows, die in den USA so beliebt sind wie Zuckerwatte in Deutschland, für die ich mich aber einfach nicht begeistern kann. Noch etwas fehlt mir beim Christmas Stroll: „Zwetschenmännla“. Oder weniger fränkisch: Zwetschgenmännchen. Bei diesen kleinen essbaren Figuren wird der Kopf von einer Walnuss und der Körper durch Feigen dargestellt – nur Arme und Beine werden durch Zwetschgen verkörpert. Das Gerüst bilden zwei Drähte, und die Figur wird mit Stoffresten bekleidet. Neben dem Schornsteinfeger gibt es kaum ein Thema, das nicht dargestellt wird und es gibt längst auch „Zwetschgenweibla“, also Zwetschgenfrauen. Zu guter Letzt: Nussknacker. Wer kennt sie noch? Die bunt bemalten Holzfiguren, deren Unterkiefer man herunterklappen kann. Dann legt man eine Walnuss oder Haselnuss hinein und, schnapp, lässt man mittels Hebel den Unterkiefer zuklappen – und knackt so die Schale.
Aber auch Whitefish hat etwas für mein inneres Kind zu bieten. Besucher können auf einer Eisbahn kegeln, sich im Axtwerfen erproben und beim Lebkuchen-Wettbewerb die vielen bunten Gebäck-Kreationen von Häusern und Landschaften bestaunen.
Das Ganze ist eine Spendenaktion für „erschwingliches Wohnen“, es gibt eine Sektion für Erwachsenen und eine für Jugendliche. Die Besucher können für 5 Dollar ein Ticket erstehen, mit dem sie über die Sieger abstimmen können. Es gibt drei Kategorien: a) für die Region am charakteristischen, b) am kreativsten, c) technisch am anspruchsvollsten. Die Sieger bekommen am Ende einen Geschenkkorb. Eine Frau sagt bei der Verleihung, sie haben einen Tag lang an ihrem Lebkuchen-Haus gebaut, eine andere brauchte nach eigenen Worten vier Tage und ein Junge sogar „wochenlang“. Sie alle werden heftig beklatscht. Ich finde, ein sehr schöner Brauch.
Mit meinem Besuch beim Christmas Stroll habe ich den ersten Punkt auf meiner Do-To-Liste für dieses Montana-Aufenthalt abgehakt.
Flathead Lake
Und nun bin ich also rund eine Autostunde weiter südlich, in der Nähe des Örtchens Somers am Nordufer des Flathead Lakes. Er ist der größte Süßwassersee der USA westlich des Mississippis und so groß wie der Bodensee. An den Ufern des Bodensees liegen ja gleich drei Länder: Deutschland, Österreich und die Schweiz. Und der See hat außer dem Alpenrhein noch etliche kleinere Zuflüsse. An den Ufern des Flathead Lakes liegt immer Montana und er hat zwei Zuflüsse: den Flathead River und den Swan River, die beide in der Nähe von Somers und der Nachbarstadt Bigfork in den See fließen. Das alles konnte ich nun im wahrsten Sinn aus der Luft sehen. Und das kam so: Das Herrchen der Katze, die ich für zwei Wochen hüten werde, war einmal bei der Air Force und teilt sich nun mit fünf Freunden privat eine kleine Piper PA-18. Gestern lud er mich spontan zu einem Ausflug ein. Mein erster Flug in einer Ein-Propeller-Maschine. Ziemlich eng. Herrliche Aussicht auf den See und die Berge. DIE Überraschung des Tages. Und einer der angenehmen Nebeneffekte meines Nomadenlebens. Ich erfahre nebenbei: Bigfork – Einwohnerzahl heute: circa 5.000 – war wegen des Staudamms, der in der Nähe gebaut wurde, die erste Stadt in Montana, die elektrischen Strom hatte. So um das Jahr 1902. Bei meiner Online-Suche nach einem Artikel über Bigfork hat die KI mir auch einen Eintrag über eine Stadt geliefert, die sogar noch früher mit Strom versorgt wurde: Walkerville, eine kleine Silberminenstadt, rund 300 Kilometer weiter südöstlich, soll bereits ab 1880 Strom gehabt haben – acht Jahre vor der Staatsgründung Montanas im Jahr 1889. Insofern kann Bigfork noch immer als erste Stadt gelten, die im US-Staat Montana ans Stromnetz angeschlossen wurde. Für mein Flugerlebnis ist beides okay. Es war einfach ein fantastisches kleines Abenteuer. Lee, meinem Piloten und Gastgeber, ein großes DANKESCHÖN! dafür.
Flug über den Flathead Lake
Wir fliegen entlang des Nordufers des Flathead Lake, über die Mündungen des Flathead River und Swan River, über das Städtchen Bigfork und den Staudamm, mit den Rocky Mountains im Hintergrund. Video ©Rebecca Hillauer