Gastbeitrag von Volker Seitz, ehemaliger Botschafter in Afrika
Weihnachtszeit ist Spendenzeit für die Bedürftigen dieser Welt. Gern wird auch um milde Gaben für die Armen in Afrika geworben. Viele Projekte sind jedoch nicht geeignet, die Armut zu beseitigen, meint der Kommentator. Einige aber schon. Wem kann man spenden?
Von Volker Seitz
Warum lebt auf dem afrikanischen Kontinent noch immer ein Drittel der Menschen in extremer Armut, mehr als irgendwo sonst, obwohl in den vergangenen 50 Jahren milliardenschwere Hilfsprogramme aus dem Norden dorthin geflossen sind? Trotz enormer Hilfen stehen viele afrikanische Staaten heute immer noch am Abgrund. Die Hilfe subventioniert schlechte Politik: Misswirtschaft, Korruption, Chaos und Hoffnungslosigkeit sind Ergebnisse misslungener klassischer Entwicklungshilfe. Die immer noch armen Staaten zeigen, dass Geld allein kein Wundermittel ist und sogar Schaden anrichten kann. Und dass Entwicklungsarbeit nur funktioniert, wenn die Helfer mit den Menschen vor Ort sprechen und sie und nicht nur die Regierungen einbeziehen.
Große Geldmengen führen häufig zu Strukturen, die sehr anfällig für Korruption sind. Gelder kommen oft nicht da an, wo sie hin sollen. Die Millionenbeträge führen zu weiteren Abhängigkeiten, da sie landeseigene Entwicklungen unterbinden. Die Programme haben die Afrikaner in Abhängigkeit gebracht und jede Eigeninitiative erstickt. Bei uns wird das Bild gepflegt: Afrika ist arm, hilflos und dringend auf die Unterstützung der Gönner aus dem Westen angewiesen. Woher kommt die Überzeugung, dass die Afrikaner es nicht alleine schaffen können? Aber wenn die „Wohltäter“ längst weg sind, ist die Armut geblieben.
Schon der US-amerikanische Ökonom William Easterly hat in seinem Buch Wir retten die Welt zu Tode geschrieben: „Sobald der Westen bereit ist, dem Einzelnen zu helfen anstelle den Regierungen, werden sich manche der Knoten, die die Entwicklungshilfe jetzt lahmlegen, auflösen.“ Die internationalen „Wohltäter“ drängen sich vor und verhindern, dass Regierungen ihren Pflichten nachkommen. Die ewige Hilfe wird als Broterwerb gebraucht. Nur wenige Journalisten sind daran interessiert, den Weg des Geldes nachzuverfolgen.
Spott über das Sendungsbewusstsein
Auch Wirtschaftsnobelpreisträger Angus Deaton schrieb: „Dass die gegenwärtige Entwicklungshilfe nicht geeignet ist, die Armut in der Welt zu beseitigen, liegt unter anderem daran, dass sie es kaum einmal versucht. In den meisten Fällen orientiert sich die Hilfe weniger an den Bedürfnissen der Empfänger als an den innenpolitischen und internationalen Interessen des Geberlandes.“ James Shikwati, kenianischer Ökonom, schreibt über Hungersnöte: „Es ist wirklich traurig. Wir haben die ständigen Spendenaktionen, anstatt dass die Regierung ihrer Verantwortung nachkommt und z.B. die Landwirtschaft rationalisiert oder ihr Verteilungssystem.“ Kritische Afrikaner spotten über das Sendungsbewusstsein und den Moralismus unserer Politiker und nehmen uns längst nicht mehr ernst.
Dass Handel statt Hilfe ein besserer Weg ist, um Afrika nach vorne zu bringen, hat China längst vorgemacht. Ich habe darüber schon oft geschrieben.*
Kleine Summen, die Eigeninitiative fordern und fördern, sind sinnvoller.
Gerade wird wieder die Spendentrommel gerührt. Meine Anregung: Lassen Sie sich nicht unter Spenden-Druck setzen. Vorwurfsvolle Bilder sollen an unser schlechtes Gewissen appellieren. Dass die Organisationen damit den Armen nicht gerecht werden und sie zu handlungsunfähigen Bittstellern degradieren, wissen die Hilfswerke. Mitleid erregenden Fotos – oft mithilfe professioneller Werbeagenturen – werden meist von unseriösen Unternehmen genutzt.
Geben Sie Ihr Geld nur Organisationen, die transparent und umfassend über Strategie, Aktivität und Wirkung informieren. Hier einige seit Jahren erfolgreiche kleine Organisationen, die Bildung und Gesundheit fördern, wo das sehr strapazierte Schlagwort „Hilfe zur Selbsthilfe“ wirklich angebracht ist. Dort wird die geistige Bequemlichkeit durchbrochen und geprüft, welche Ansätze tatsächlich funktionieren, was sich bewährt hat.
- Gesundes Afrika e.V. (früher AMREF), Berlin
- Rain Workers (früher Aktion Regen), Wien
- Aqua pura, Wolfhausen/Schweiz
- Pro-Interplast, Seligenstadt
- EinDollarBrille, Erlangen
- Schulbank e.V., Havixbeck
- Bildungswerk-Westafrika, Bedburg
Dieser Text erschien erstmals bei Achgut. Volker Seitz war für das deutsche Auswärtige Amt siebzehn Jahre als Botschafter in Afrika. Er gehört zum Initiativkreis des „Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe“ und ist Autor des Bestsellers Afrika wird armregiert (dtv, 11. Auflage).
* Auf meine Nachfrage zur Rolle von China, hat mir Volker Seitz das Folgende geantwortet: „China hat natürlich seine Interessen. Wenn ich Afrikaner wäre, würde ich allerdings meine Fabriken, Eisenbahnen, Stadien und Straßen auch von den Chinesen oder Koreanern bauen lassen. Sie sind – wie ich schon zu meiner Zeit beobachten konnte – sehr viel schneller fertig. Wie mir afrikanische Bekannte immer wieder sagen, nehmen sie uns unseren Altruismus nicht ab. Sie ziehen die Chinesen vor, weil diese klar sind in ihrer erwarteten Gegenleistung (Mineralien, Öl etc.). Das kann man alles kritisieren, auch dass China keine Einhaltung von Menschenrechten verlangt. Außerdem nimmt man uns nicht mehr Ernst, nicht erst seit der grünen Außenpolitik. James Shikwati trifft es in seinem Spruch genau: „China baut Straßen, Europa zählt die Insekten“. Er meint damit die üblichen Bedenkenträgerschaft, bevor überhaupt angefangen wird.“ Der Autor wird den Teil zu China für eine etwaige überarbeitete 12. Auflage nächstes Jahr aktualisieren.
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