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„Der Geier und das Mädchen“

Vor dreißig Jahren beging der südafrikanische Pressefotograf Kevin Carter Suizid.

27. Juli: 30. Todestag des Fotojournalisten Kevin Carter

Sein Foto aus dem Sudan ging im März 1993 um die Welt: Ein bis aufs Skelett abgemagertes Kind kauert im Sand, während hinter ihm bereits ein Aasgeier lauert. Dafür erhielt Kevin Carter den Pulitzer-Preis. Zwei Monate später beging der Südafrikaner in Johannesburg Suizid.


Kevin Carter / Rebecca Hearfield

Das Foto mit dem Titel „The vulture and the little girl“ war im März 1993 entstanden. Das Bild ging um die Welt. Nach seiner Auszeichnung mit dem Pulitzer-Preis wurde Carter vorgeworfen, er habe die Situation für seinen eigenen Ruhm als Fotograf ausgenutzt. Nach eigenen Angaben wartete Carter, um ein besseres Foto zu bekommen, etwa 20 Minuten darauf, dass der Geier seine Flügel ausbreite. Als dies aber nicht geschah, verjagte er den Vogel, um das Kind zu schützen. Das hätte sich Kind soweit erholt gehabt, dass es seinen Weg habe fortsetzen können.

Der portugiesische Fotojournalist João Silva, der Carter in den Sudan begleitet hatte, schilderte in einem Interview die Umstände anders: Carter und Silva seien von Mitarbeitern der Vereinten Nationen im Rahmen der „Operation Lifeline Sudan“ eingeflogen worden. Nach der Landung am 11. März 1993 hätte die UN den Journalisten gesagt, man werde in 30 Minuten wieder abfliegen, nachdem die mitgebrachten Lebensmittel an die Frauen des Dorfes verteilt worden seien. Während der Nahrungsausgabe hätten die Mütter ihre Kinder kurz allein gelassen. Zu diesen Kindern gehörte auch das Kind auf Carters Foto. Um die beiden besser im Bild zu haben, näherte sich Carter sehr vorsichtig, um den Geier nicht zu verscheuchen. Er drückte noch mehrmals ab, dann flog der Geier weg.

Laut Wikipedia gab ein Sudanese Jahre später an, das fotografierte Kind sei sein Sohn Kong Nyong gewesen und habe die Hungersnot überlebt.

Kevin Carter war 33 Jahre alt. Er hinterließ eine siebenjährige Tochter.

Aus seinem Abschiedsbrief (siehe Auszüge unten laut Wikipedia) kann man herauslesen, dass ihn nicht nur verfolgte, was er tagtäglich als Fotojournalist mit ansah. Ihn beschwerte auch das prekäre Dasein eines freiberuflichen Journalisten:

„Es tut mir sehr, sehr leid, … Der Schmerz des Lebens übersteigt die Freude in einem Maße, dass keine Freude mehr existiert. … [Bin] deprimiert … ohne Telefon … Geld für Miete … Geld für Unterhaltszahlungen … Geld für Schulden … Geld!!! … Mir gehen die lebhaften Erinnerungen nach, an Morde und Leichen und Wut und Schmerz, … an verhungernde und verwundete Kinder, an schießwütige Irre – oft Polizisten –, an Exekutierer von Killern … Ich bin gegangen, um — wenn ich Glück habe — bei Ken* zu sein.“

* Ken Oosterbroek, ein befreundeter Fotojournalist, war am 18. April 1994 (zwei Tage nach Bekanntgabe des Pulitzerpreises an Kevin Carter) bei Unruhen in einem Township bei Johannesburg erschossen wurde.

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