TV-Moderator Bill Maher: „Geschlechter-Apartheid“ und Aktivisten
„Kinder, wenn ihr die Welt verändern – und nicht nur den Montagmorgenverkehr lahm legen wollt, dann ist dies die Apartheid, die dringend eure Aufmerksamkeit braucht: Die #GenderApartheid.“
Mit diesen bewusst provokanten Worten übertitelt Bill Maher seinen Monolog in seiner TV-Show Real Time am 31. Mai auf X (früher Twitter). Der amerikanische Fernsehmoderator kritisiert die selektive Empörung von Aktivisten, insbesondere von Anti-Israel-/Pro-Palästina-Aktivisten, die sich selbst als „links“ bezeichnen. Maher fordert sie auf, die geschlechtsspezifische Apartheid und Menschenrechtsverletzungen anzusprechen, die seiner Ansicht nach bei westlichen Protesten oft übersehen werden. Bis heute wurde sein Beitrag allein auf X vier Millionen Mal aufgerufen.
Die Jerusalem Post griff Mahers Monolog in einem Artikel mit mehreren Zitaten auf:
- „In den letzten Jahren haben Frauen im Iran gesagt: ‚Nimm diesen Hijab und schieb ihn dir sonstwohin‘, nachdem eine junge Frau namens Mahsa Amini im Jahr 2022 verhaftet wurde, weil sie ihren Hijab nicht wie vorgeschrieben trug. Und sie anschließend im Polizeigewahrsam starb.“
- „Hunderte von Millionen Frauen werden schlechter behandelt als Bürger zweiter Klasse. Wenn man vorschreibt, dass eine Kategorie von Menschen nicht einmal das Recht hat, ihr Gesicht zu zeigen, dann ist das Apartheid. Und das ist in vielen Ländern so.“
- „Die eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, die ihr euch alle stellen solltet? Wie wäre es damit: ‚Vom Fluss bis zum Meer, jede Frau soll frei sein!'“ [In Anlehung an den Slogan „From the river to the sea, Palestine shall be free! „]
Mein persönlicher Favorit – nicht aus dem Artikel der Jerusalem Post, sondern aus Mahers Mund:
Bill Maher, Real Time, 31. Mai 2024
„… all dies geschieht – direkt unter deinem Nasenring.“
Ein ähnliches Paradoxon wie das, das Bill Maher in Bezug auf die Rechte von Frauen beobachtet hat, ist in der Haltung der Aktivisten „Queers for Palestine“ zu beobachten. Die queeren Aktivisten scheinen sich der möglichen Ablehnung bis hin zu purer Feindseligkeit nicht bewusst zu sein, mit der sie sich höchstwahrscheinlich konfrontiert sähen, wenn sie jemals einen Fuß auf den Boden des Gazastreifens setzen würden. In einem Video auf TikTok antworten palästinensische Männer auf die Frage, ob sie die Unterstützung von Queers for Palestine wollen, mit einem klaren „Nein“. Einer der Männer sagt, Schwulsein würde als unmoralisch angesehen.
Im Jahr 2022 sorgte der Fall des 25-jährigen Ahmad Abu Marhia für Aufsehen sowohl in der israelischen als auch der palästinensischen Gesellschaft. Marhia war ein schwuler Palästinenser aus Hebron. Anfang Oktober wurde seine Leiche im Westjordanland aufgefunden – enthauptet. Seine Ermordung wurde auf Video festgehalten und in den sozialen Medien verbreitet. Israelische Medien zitierten Freunde des Opfers mit der Aussage, er sei in das Westjordanland entführt worden. Nach Angaben von LGBTQ-Gruppen hatte er zwei Jahre in Israel verbracht und auf einen Asylantrag gewartet. Er hätte ins Ausland fliehen wollen, nachdem er in seiner Gemeinschaft Morddrohungen erhalten hatte, weil er schwul war. Medienberichten zufolge lebten zu dieser Zeit 90 Palästinenser, die sich als LGBTQ identifizieren, als Asylbewerber in Israel. Homosexualität wird in den sozial und religiös konservativsten Teilen sowohl der palästinensischen als auch der israelischen Gesellschaft abgelehnt, doch können in Israel Menschen ihre Homosexualität offen leben. Dennoch attackierte ein ultraorthodoxer Jude Teilnehmer der Pride Parade in Jerusalem gleich zweimal mit einem Messer: erstmals 2005 und dann nochmals 2015, nachdem er für den ersten Angriff eine zehnjährige Haftstrafe verbüßt hatte.
Sind den Queers for Palestine diese Ereignisse nicht bekannt? Und den vielen protestierenden Studenten an amerikanischen Universitäten, die ihren Kopf mit schwarz-weißen oder rot-weißen Kefijas bedecken oder ihren Körper in eine palästinensische Flagge hüllen? Diese Frage bedeutet nicht, dass Menschen mit einer Kefija die israelische Politik nicht kritisieren dürften. Oder sich für die palästinensische Staatlichkeit einsetzen. Was aber ist davon zu halten, dass eine Demonstrantin an der New York University während eines Teach-Ins Nordkorea lobte:
„Nordkorea… hat den Staat Israel nie wirklich anerkannt, es hat immer das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und Widerstand unterstützt und hat den palästinensischen Widerstand seit Jahrzehnten aktiv bewaffnet und ausgebildet (…). Während also die USA hier die IOF1 mit der Polizei ausbilden, bildet Nordkorea die Palästinenser aus.“
Der Präsident der international renommierten iranischen Universität Shiraz hat derweil Stipendien für Studenten in den USA angeboten, die wegen ihrer Teilnahme an pro-palästinensischen Demonstrationen des Landes verwiesen worden sind. Angesichts dieser Ereignisse will Bill Maher mit seinem provokanten Monolog hoffentlich deutlich machen, dass sich die Demonstranten der Tragweite dessen, was sie unterstützen, voll bewusst sein sollten. Maher in seinen eigenen Worten:
„Wenn man ein paar Stunden lang protestiert und diese [Kefaja] trägt, muss man auch so konsequent sein, einen ganzen Nachmittag Besorgungen zu machen und das dabei zu tragen“. Während er das sagt, zeigt der Fernsehbildschirm das Bild einer Frau, die von Kopf bis Fuß in eine schwarze Abaya gehüllt ist. Maher: „Man kann sich nicht auf die Seite derer stellen, die rücksichtslos Frauen unterdrücken, ohne zumindest einen Vorgeschmack auf das zu bekommen, was man unterstützt“.
Und wenn wir schon beim Wissen darüber sind, über was wir reden: Laut Wikipedia ist die Kufiya, Kefija oder Kefije ein in der arbischen Welt von Männern und Frauen getragenes Kopftuch. Es werde zum Schutz vor der Sonne und auch als Halstuch getragen. Der arabische Begriff sei abgeleitet vom Namen der irakischen Stadt Kufa. Durch den Nahostkonflikt kam das Tuch zur Bezeichnung „Palästinensertuch“.
- IOF (Israelische Besatzungstruppen) ist ein Begriff, der von Gegnern der israelischen Palästina-Politik synonym für die IDF (Israelische Verteidigungsstreitkräfte) verwendet wird. ↩︎