Gastbeitrag der Aktionsgruppe Indianer zum Internationalen Frauentag
In den USA gilt März als „Women’s History Month“, als Monat der Geschichte der Frauen. Die Situation der indigenen Frauen in Kanada und den USA ist einerseits besonders prekär. Andererseits manifestieren indigene Frauen als Aktivistinnen und Politikerinnen mehr und mehr ihre Teilhabe in der Gesellschaft.
Von Monika Seiller
Internationaler Frauentag
Wenigstens einmal im Jahr erinnert man sich daran, was Frauen alles leisten, u.a. in der Care-Arbeit. Und der Tag erinnert daran, in welchen Bereichen eine wirkliche Gleichberechtigung auf sich warten lässt – sei es in der Parität in den Parlamenten, den Chef-Etagen oder auf dem Lohnzettel. Schöne Reden verhindern aber keine Altersarmut unter Frauen, noch übernehmen sie die Hausarbeit.
In diesem Jahr gehen wir am Internationalen Frauentag nicht nur auf die Straße, um gleichen Lohn oder unseren Platz in den Parlamenten einzufordern, sondern auch, um daran zu erinnern, dass Frauen in kriegerischen Konflikten besonders gefährdet sind.
Gegen sexualisierte Gewalt zogen in Kanada auch mehr als 1000 Demonstrierende am Valentinstag durch Vancouver, um an die verschwundenen und ermordeten indigenen Frauen und Mädchen zu erinnern. Sie sind nicht vergessen, und die Regierung muss endlich handeln, um wirksame Maßnahmen gegen diese Gewalt zu ergreifen.
„Woman of the Year“
Gerade in den USA werden wir derzeit daran erinnert, dass es noch nie eine Frau im Weißen Haus gab – und über die derzeitigen Kandidaten muss man nicht mehr viele Worte verlieren.
Gelegentlich gibt es wenigstens ein paar anerkennende Worte oder eine Titelgeschichte. So hat die USA TODAY soeben Peggy Flanagan zur „Woman of the Year” erklärt. Peggy Flanagan (White Erath Ojibwe) ist Vizegouverneurin des US-Staats Minnesota und hat damit das höchste Amt inne, in das eine indigene Frau jemals gewählt wurde. Frauen dürfen in den USA seit 1922 wählen – das galt natürlich nicht für Indigene. Die Demokratin ist seit 2019 Vizegouverneurin von Minnesota. Nach ihrem Studium der Kinderpsychologie und der Native American Studies war sie in zahlreichen Bildung- und Sozialeinrichtungen tätig, bevor sie 2015 ins Abgeordnetenhaus von Minnesota gewählt wurde.
Indigene und Wahl
Während die USA gespannt – oder auch weniger – auf die Wahlergebnisse des „Super Tuesday“ blicken, sei daran erinnert, dass sich im Juni der Jahrestag der amerikanischen Staatsbürgerschaft für die Indigenen des Landes zum 100. Mal jährt. Gefragt wurden sie 1924 nicht, ob sie Staatsbürger werden wollen, und bei den Wahlen spielen sie auf nationaler Ebene eine geringe Rolle. Es war schon eine Sensation, als 2018 erstmal zwei indigene Frauen in den US-Kongress gewählt wurden. Eine davon – Deb Haaland – ist bekanntlich heute Innenministerin. Auch daran darf im „Women’s History Month“ erinnert werden. Als Kandidatin für die Präsidentschaft hätte die Demokratin allerdings kaum Chancen. Die indigenen Wählerinnen werden sich genau überlegen, wem sie in diesem Präsidentschaftswahlkampf ihre Stimme geben werden.
Indigene Aktivistinnen
Die Parlamente sind auch nicht unbedingt der bevorzugte Schauplatz des indigenen Widerstands. Dieser manifestiert sich vielmehr an den Pipelines – ob wie im letzten Newsletter berichtetet gegen die Coastal GasLink oder die Trans Mountain Pipeline, gegen die sich die Indigenen in British Columbia zur Wehr setzen. Vor allem die Tiny House Warriors stellen sich den Bauarbeiten in den Weg. Eine von ihnen ist Mayuk Manuel (Secwépemc), die sich derzeit vor Gericht verteidigen muss. Gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Kanahus Manuel und weiteren Aktivist*innen errichtete sie entlang der Pipeline-Route Widerstandscamps mit mobilen Tiny Houses, um das Projekt auf ihrem traditionellen Land zu verhindern. Angeklagt ist sie der Missachtung des Gerichts und Widerstands gegen Vollzugsbeamte, die bei ihren Einsätzen nicht gerade „zimperlich“ vorgehen. Die Übergriffe auf die Indigenen sind Teil der Einschüchterungs- und Kriminalisierungskampagne. Der Zwischenfall, für den sie vor Gericht steht, ereignete sich 2021, als ein großes Waldgebiet entlang der Route kahlgeschlagen wurde, um Platz für die Arbeitercamps zu schaffen. Der Widerstand richtete sich nicht allein gegen die Rodung des Waldes, sondern auch gegen die Bedrohung, die von diesen Arbeitercamps ausgeht – im Umfeld dieser Camps steigen die Fälle von Misshandlungen und Vergewaltigungen indigener Frauen. Das Gerichtsverfahren begann im Februar 2024 – ein Ende bzw. Urteil steht noch nicht fest.
Muttersprache
Der Tag der Muttersprache ist zwar nicht im März, sondern am 21. Februar, doch natürlich sind es vor allem die indigenen Frauen, welche die Sprache an ihre Kinder weitergeben. Bereits zum 9. Mal fand das „The Mother Tongue Film Festival“ dieses Jahr in Washington D.C. statt, organisiert von der „Smithsonian’s Recovering Voices Initiative“. Ein breites Spektrum von 23 Filmen feierte die kulturelle Diversität und die indigenen Sprachen weltweit. Neben zahlreichen Filmvorführungen und kostenlosen Veranstaltung gab es auch eine Zeremonie im National Museum of the American Indian, bei der die Leiterin des Festivals, Amalia Córdova, daran erinnerte, dass Sprache Kultur bedeutet, und indigene Sprachen besondere Unterstützung benötigen, um sie an die nächsten Generationen weitergeben zu können.
Sterilisationen von indigenen Frauen
Wenn Frauen am 8. März demonstrieren, gelten ihre Forderungen auch der Selbstbestimmung über den eigenen Körper. „Reproductive Rights“ haben für indigene Frauen eine besondere Dringlichkeit, denn noch immer werden sie Opfer von Zwangssterilisationen. Aus diesem Grund sagte Nicole Rabbit (Blood Tribe, Alberta) Ende Februar vor einem Ausschuss des kanadischen Senats aus. „Wir Indigenen wurden immer schlecht behandelt und wir wollen, dass dies endlich aufhört“, erklärte Rabbit, die für den „Survivor Circle for Reproductive Justice“ arbeitet. Ihre Geschichte findet sich im Senatsbericht „The Scars That We Carry“, der bereits 2022 veröffentlicht wurde. Nun geht es um ein Gesetz, das Zwangssterilisationen endlich verbieten soll, weshalb Rabbit dem Ausschuss von ihren persönlichen Erlebnissen berichtete. Sie sollte im Royal University Hospital in Saskatoon, Saskatchewan, per Kaiserschnitt entbunden werden. Für den Eingriff wurden Rabbit ein lokales Betäubungsmittel gespritzt und ihre Hände waren an den Seiten gefesselt. Nach der Geburt verließ der Arzt mit dem Baby den Raum. Als er kurz danach zurückkam, erklärte er der Indigenen, dass sie keine weiteren Kinder bekommen könne. Man hatte ihre Eileiter verödet. Sowohl Nicole Rabbit als auch ihre Mutter wurden ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen sterilisiert.
Die indigene Senatorin Yvonne Boyer, die sich seit langem für die Aufklärung der Zwangssterilisationen von indigenen Frauen engagiert, hat den Gesetzesentwurf Bill S-250 im Senat eingebracht. Sie will die Ärzte, welche die Sterilisationen vorgenommen haben, zur Rechenschaft ziehen. Das Gesetz hat bereits zwei Lesungen im Senat passiert, und Boyer ist zuversichtlich, dass das Gesetz im Juni 2024 vom Parlament verabschiedet wird.
Für einen starken Frauenmonat in Solidarität mit dem Selbstbestimmungsrecht der indigenen Völker!
Der Text erschien erstmals im Newsletter 2024/02 der Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte. Der Verein gibt vierteljährlich das Magazin „Coyote“ heraus. Es ist gedacht „als Forum für die Arbeit der Unterstützungsgruppen für nordamerikanische Indianer und veröffentlicht daher zugesandte Artikel dieses Themenbereichs.“
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