Politik USA Welt

Blaue Bänder für Israel

Eine Kampagne in den USA soll an die Hamas-Geiseln in Gaza erinnern.

USA: Kampagne zur Erinnerung an die Hamas-Geiseln in Gaza

#BringThemHome, Ribbons for Israel ©Nancy Schwartz-Katz

Noch immer befinden sich mehr als 120 Menschen in Gaza in Geiselhaft der Hamas. An sie will in den USA die landesweite Kampagne „Blue Ribbons for Israel“ erinnern. Auch regional gibt es die verschiedensten Initiativen.

Zum Radiobericht

„BringThemHome“, also „Holt sie heim!“. So fordern seit dem 7. Oktober 2023 in den ganzen USA Demonstranten und Initiativen. Ihre Solidarität gilt allen Menschen, die noch immer als Geiseln der Hamas in Gaza sind. Weil die Fahne Israels blau-weiß ist, nennt sich eine Initiative „Blue Ribbons for Israel“. Blaue Bänder für Israel.

Beim New York City Marathon etwa befestigten Aktivisten nachts blaue Bänder entlang der Laufroute auf der First Avenue. Sie würden solange Bänder aufhängen, bis die letzte Geisel frei sei, erklärt eine Frau.

Ideengeberin der Blue Ribbons-Kampagne ist die Jewish Federation of North America. Sie ist die Dachorganisation von 152 jüdischen Gemeinschaften in den Vereinigten Staaten. Innerhalb von 48 Stunden sei die Idee in die Tat umgesetzt worden, berichtet Andrew Hochberg. „Wir haben bis heute Hunderttausende blauer Bänder herstellen und verteilen lassen. Leute tragen sie im ganzen Land. Sie sehen die Kampagne als etwas, was uns alle betrifft, nicht nur die jüdische Gemeinschaft.“ Hochberg ist der Ansprechpartner der Jüdischen Föderationen für Innenpolitik und Regierungsangelegenheiten. Doch über Politik will er in Bezug auf die Blauen Bänder nicht sprechen. Mit der Kampagne verfolge man ein rein humanitäres Anliegen, betont er.

Das sagt auch Rabbinerin Leslie Gordon in Boston: „Jeden Tag gibt es neue Nachrichten – über den Konflikt, über Gaza, Israel. Die politische Situation. Die Geiseln werden nicht erwähnt. Sie sollten aber im Fokus sein.“

Die Rabbinerin hat mit ihrem Ehemann David Goodtree die lokale initiative “Blue Ribbons on Trees” gestartet. Blaue Bänder an Bäumen. Dabei binden Menschen in Parks, Straßen und Gärten blaue Bänder um Bäume. An manchen Nachmittagen geht das Ehepaar von Haus zu Haus und klingelt an den Türen. Sie sagen dann: “Wir wollen die Geiseln in Erinnerung bringen, es geht uns nicht um Politik. Dürfen wir ein blaues Band um einen Baum binden?“ Die Resonanz sei überwältigend positiv, sagt Rabbinerin Leslie Gordon.

Blue Ribbons on Trees ©David Goodtree

Der Dachverband hat seine Blue Ribbons-Kampagne bis in die Büros der politischen Entscheidungsträger in der Hauptstadt getragen. Die Föderation hat auch den “Marsch für Israel” mit organisiert, bei dem am 14. November 2023 fast 300.000 Menschen in Washington für die Freilassung der Hamas-Geiseln demonstrierten.

Andrew Hochberg (l.) mit Namen folgen ©Avi Gerver

Ein Foto zeigt führende Politiker, die alle blaue Bänder bei der Kundgebung tragen. „Wir hatten zuvor an jedes Büro Bänder verteilt, sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat“, erzählt Andrew Hochberg. Sogar auf dem Flug hätten ihn Flugbegleiter gefragt, wofür das blaue Band stünde, das er trage.

Mitglieder der „Jewish Federation of Cleveland“, einer jüdischen Gemeinschaft im Bundesstaat Ohio, reisten sogar nach Israel und sprachen mit den Familien von Geiseln. Als deren wichtigste Botschaft brachten sie mit in die USA zurück: „Bitte vergesst unsere Lieben nicht“. Und diese Erinnerung sollen die blauen Bänder wachhalten. Künstlerin Nancy Schwartz-Katz: „Am 7. Oktober sind unsere Herzen gebrochen. Wie kann man 240 entführte Menschen und 1200 brutal Ermordete künstlerisch darstellen?“ Schwartz-Katz, die sich auf jüdische Motive spezialisiert hat, hatte schließlich die Idee, eine Installation mit blau-weißen Bändern zu gestalten. „Bänder werden seit langem als Zeichen für das Bewusstsein und zu den verschiedensten Anlässen verwendet. Menschen können damit etwas anfangen. Die Ikonographie, die Bildsprache, ist klar, sehr einfach, sehr direkt.“

Im Jahr 1979, während der Islamischen Revolution im Iran, haben Amerikaner sich auf der ganzen Welt gelbe Schleifen angeheftet. Sie protestierten so gegen die Geiselnahme von 52 Landsleuten in der US-Botschaft in Teheran. Die Geiselnahme damals dauerte mehr als ein Jahr. Natürlich hoffen in diesem Tagen alle, dass die Geiseln in Gaza wesentlich früher frei kommen.

Die Stadt Atlanta im Bundesstaat Georgia, im tiefen Süden, schmückt sich mit Bändern in der Farbe der israelischen Flagge. Im ebenfalls konservativen mittleren Westen rief die Gouverneurin von Iowa dazu auf, die Bürger sollten aus Solidarität eine Woche lang blaue Bänder tragen. Und in San Francisco befestigten Studenten der Stanford Universität auf dem gesamten Campus blaue Bänder.

Rabbinerin Leslie Gordon in Boston und ihr Ehemann David Goodtree werden inzwischen beim Bebändern von Bäumen von Sponsoren unterstützt. (Fotos ©David Goodtree)

Zuerst kaufte das Ehepaar Geschenkbänder und band sie an Bäume, merkte aber schnell, dass dies für eine große Stückzahl nicht praktikabel sein würde. Goodtree entdeckte ein Band, das man auf Baustellen verwendet. Sehr breit und dunkelblau. Er kontaktierte den Hersteller – und der spendete das Material. Genug für 40.000 Bäume. Und das tut er bis heute. „Er hat auch die ganze Werbung gemacht“, berichtet die Rabbinerin. „Wir haben, glaube ich, bis jetzt 100.000 Bänder im Großraum Boston verteilt.“ Eine ähnliche Initiative fordert die Menschen auf, ein Foto mit ihrem bebänderten Baum online zu posten.

Nancy Schwartz-Katz in Ohio hat ihre Installation von blau-weißen Bändern mit Hilfe auch nicht-jüdischer lokaler Firmen Wirklichkeit werden lassen.

Nancy Schwartz-Katz (l.) ©Jewish Federation of Cleveland

Vor dem Gebäude der Jüdischen Föderation in Cleveland ragen nun zwei Holzgestelle in den Himmel – knapp fünf Meter hoch und drei Meter breit. Bedeckt sind sie von zwei riesigen blau-weißen Schleifen. Darauf zeigen Fotos die Gesichter aller ursprünglich 240 Hamas-Geiseln. Nachts ist die Installation beleuchtet. Sie steht nur zwei Meter von einer viel befahrenen Straße entfernt. Und die beiden Schleifen zeigen in gegensätzliche Richtungen. „So können die Leute, die mit dem Auto vorbeifahren, die Installation aus allen Richtungen sehen. Sie sehen die Bänder – und die Gesichter.“

Nancy Schwartz-Katz hat selbst keine Freunde oder Verwandte unter den Geiseln. Sie kennt aber ein Paar, deren Sohn am 7. Oktober ermordet wurde. Und eine Frau. Der beste Freund ihrer Tochter ist entführt worden.

Ich treffe diese Frau im Supermarkt. Und ich frage: „Darf ich dich umarmen?“ Weil mir Worte fehlen. Es ist, als wären wir eine Familie. Das sind unsere Freunde, unsere Babys, unsere Großeltern, unsere Schwestern und Brüder. Und sie müssen da draußen gesehen werden. Um der Menschlichkeit willen.

Nancy Schwartz-Katz

Die blauen Bänder kann man online bestellen hier.

Unterstützen Sie mich, unabhängig zu arbeiten, mit einer Spende. Vielen Dank.