Ein jemenitisch-schwedischer Video-Blogger ruft seine arabischen Schwestern und Brüder zur Selbstreflektion auf.
„Dies ist eine Botschaft an meine arabischen Freunde und Anhänger, die mich beschuldigen, ein ‚Verräter‘ zu sein“. So beginnt Luai Ahmed einen seiner Posts auf X (ehemals Twitter), Mit seinen Ansichten über den Islam und Israel/Palästina hält der Video-Blogger anderen muslimischen AraberInnen einen Spiegel vor.
„Jemenitisch von Geburt und Erziehung, schwedisch laut Pass und Loyalität“: So beschreibt Luai Ahmed sich selbst auf X. Mit seiner Dankbarkeit und Loyalität seiner zweiten Heimat gegenüber erinnert er mich an einen Freund aus Ägypten, der inzwischen in den Niederlanden lebt. Empört erzählte er mir, wie es ihm jedes Mal den Magen umdrehe, wenn er marokkanische Migranten untereinander auf Arabisch über die Niederländer lästern höre. Sie würden sie beleidigen, beschimpfen, verfluchen.
Derweil in Berlin:
- hat gerade erst Seyran Ates angekündigt, dass sie aufgrund von Drohungen radikaler Muslime ihre säkular ausgerichtete Ibn Rush-Goethe-Moschee (vorübergehend) schließen wird. Ates, eine Anwältin, lebt seit Eröffnung der Moschee unter Polizeischutz.
- musste der ehemalige Abgeordnete Marcel Luthe seine Anti-Hamas-Demonstration wegen „massiver Sicherheitsbedenken“ absagen. Er wollte vor einer Salafisten-Moschee Ballons mit der Aufschrift „Free Gaza from Hamas“ emporsteigen lassen.
- entfernten Polizisten auf Plakate mit Fotos von israelischen Hamas-Geiseln von einer Litfaßsäule. Ein Sprecher der Polizei Berlin sagte, dies sei „nach eigener Feststellung eines Verstoßes gegen das Pressegesetz“ geschehen: Ein Impressum hätte gefehlt.
Anmerkung zum letzten Punkt: In Berlin hängen ansonsten überall Plakate ohne Impressum, die die Polizei noch nie gestört haben. Hatte die Aktion womöglich den Zweck, aufgebrachte Pro-Palästina- und Pro-Hamas-Demonstranten nicht zu provozieren, weil die Polizei im Ernstfall zahlenmäßig unterlegen sein könnte? Ähnliches ereignete sich in London: Dort entfernten PolizistenPlakate von israelischen Kindern, die von der Hamas verschleppt worden sind. Einem X-Nutzer fällt dazu nur ein Wort ein: Unterwerfung.
Zurück zu Blogger Luai Ahmed:
Außer Aktivist auf sozialen Medien ist Luai Ahmed auch Kolumnist und Podcast-Redakteur bei dem schwedischen Online-Medium „Bulletin“. Dort ist zu lesen: Bevor er nach Schweden zog, war Ahmed Kolumnist für Yemen Today, Yemen Times und YoO Youth Magazine. Er ist Autor des Buches „Asylum: A refugee’s paradoxical journey from Sharia Yemen to Rainbow Sweden“, hat an der Internationalen Libanesischen Universität im Jemen internationale Betriebswirtschaftslehre studiert und an der Universität Malmö mehrere Kurse in internationaler Migration und ethnischen Beziehungen belegt. Hier einige seiner Posts auf X:
„Als Araber müssen wir zugeben, dass der Westen und Israel nicht unsere Unterdrücker sind. Wir Araber selbst sind unsere größten Feinde und Unterdrücker.
Dies ist eine Botschaft an meine arabischen Freunde und Anhänger, die mich beschuldigen, ein „Verräter“ und „Ausverkäufer“ zu sein. Die mir sagen, dass ich „eine Schande für die Araber“ sei und meinen Namen wegen meiner Ansichten über den Islam und Israel/Palästina ändern sollte.
Ich verstehe nicht, wie Schwule den Islam und die Muslime verteidigen können, während Schwule in 11 muslimischen Ländern getötet und in 45 muslimischen Ländern inhaftiert werden. Stellen sich diese privilegierten westlichen Schwulen dumm, oder sind sie tatsächlich dumm?
Man könnte kritisieren, dass Luai Ahmed seine Videos mit einer gehörigen Brise Polemik würzt. Vermutlich braucht es eine solche Provokation, um auf sozialen Medien Gehör zu finden und zum Nachdenken aufzurütteln. Auch blendet Ahmed etwa aus, dass Palästinenser im Westjordanland und in Ost-Jerusalem sehr wohl vom israelischen Staat unterdrückt werden – in Gestalt jüdischer Siedler, Polizei oder Militär. Und in Bezug auf das Herkunftsland Jemen lässt Ahmed die massiven Waffenlieferungen der USA und Deutschland für Saudi-Arabien außen vor. Stoff für zukünftige Videos? Ich wünsche mir jedenfalls mehr Selbsreflektionen dieser Art – auf allen Seiten.
Weitere Posts, Kolumnen und Podcasts von Luai Ahmed finden Sie auf X unter @JustLuai und via: linktr.ee/luaiahmed.