Wiederholungswahl in Berlin: in einem „repräsentativen Wahllokal.“
Ich habe heute in einem sogenannten repräsentativen Wahllokal gewählt. Zum Zweck einer späteren Wahlstatistik wurde ich um Angaben zu meinem Geschlecht und Geburtsjahr gebeten. Daraus ergaben sich für mich einige grundlegende Fragen. Hätte ich mich zum Beispiel einfach als Mann eintragen lassen können? Spaßig wäre es.
Die Wiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin und zur Bezirksverordnetenversammlung begann für mich bereits vor ein paar Wochen, als ich zu meiner Überraschung sowohl die beantragten Briefwahlunterlagen also auch die Wahlbenachrichtigung für eine Stimmabgabe im Wahllokal erhielt. Berlin wollte anscheinend sicher gehen, dass ich auch dieses Mal wieder mit von der Partie bin.
Heute morgen dann im Wahllokal wurde mir erklärt, dass ich in einem repräsentativen Wahlbezirk wählte. Das heißt: Auf den Stimmzetteln ist rechts oben jeweils Geschlecht und Altersgruppe vermerkt, um daraus eine entsprechende Wahlstatistik zu erstellen. Die Wähler bekommen Stimmzettel gemäß ihrer Angaben ausgehändigt. Die Ergebnisse zur Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin am 26. September 2021 finden sich hier.
Einteilung für die Statistik bei der Wahlwiederholung am 12. Februar 2023:
Altersgruppe nach Geburtsjahr z.B. 1954-1963 also 60-69 Jahre alt, 1964-1973 also 50-59 Jahre, 1974-1983 also 40-49 Jahre usw.
Geschlecht wird immer noch nur in zwei Kategorien erhoben, wobei eine davon mehrere Unterkategorien enthält. Genau: Während früher nur grob nach „Mann“ und „Frau“ unterschieden wurde, heißt heute die eine Kategorie: weiblich. Die andere Kategorie ist „männlich, divers oder ohne Angabe im Geburtenregister“.
Die Angaben auf den Stimmzetteln werden nach der Stimmabgabe im Wahllokal noch in einer Zählliste erfasst. Zu diesem Zweck fragen Wahlhelfer nochmals Geschlecht und Alter ab. Ich sehe offenbar so zweifelsfrei wie eine Frau aus, dass die Wahlhelferin mich überhaupt nicht mehr nach meinem Geschlecht gefragt hat, sondern meine Angabe zum Geburtsjahr automatisch unter „weiblich“ verbuchte. „Würden Sie mich auch unter der Kategorie ‚männlich‘ erfassen, wenn ich mich jetzt als Mann bezeichne?“, hatte ich bereits bei der Aushändigung des Stimmzettels gefragt. „Selbstverständlich“, lautete die Antwort.
Welche Aussagekraft besitzen zukünftig Wahlstatistiken, wenn man - wie es das von der Bundesregierung geplante Selbstbestimmungsgesetz vorsieht - einmal pro Jahr das Geschlecht neu bestimmen kann? Warum ist "weiblich" eine eigene Kategorie, während "männlich" mit "divers und "ohne Angabe" zusammengewürfelt wird? Ganz zu schweigen von der Frage: Warum heißt es nicht mehr "Mann" und "Frau", sondern "männlich" und "weiblich"? Und wozu überhaupt noch irgendwelche Angaben zum Geschlecht, wenn es nach Lust und Laune beliebig gewählt werden kann?
Vielleicht ist diese Wahlstatistik ja grundsätzlich verzichtbar. Außer dem allgemeinen Informationsbedürfnis dient sie vor allem den politischen Parteien dazu, ihre Wählerschaft zu verorten. Sparen wir besser die Steuergelder für diese Erhebung? Oder sollten wir nochmals die möglichen Konsequenzen des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes hinterfragen?