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Unterwegs: South Dakota

Pine Ridge Reservat der Oglala-Lakota ist das ärmste Reservat in den USA und hat eine bewegte Geschichte.

Land der Lakota, Pine Ridge and Winter im Reservat.

Minus 30 Grad Celsius soll es heute Nacht in Pine Ridge werden. Windboen werden es gefühlt noch kälter werden lassen.

Tagsüber finden die Obdachlosen in der Stadt Unterschlupf im Reconciliation Center („Versöhnungszentrum“) von Pastor Daniel Johnson. Sie bekommen ein warmes Essen, können duschen, ihre Kleidung zum Waschen geben und Fernseh schauen. Vor der Tür wartet stets ein Rudel von Hunden auf einen Bissen. Die Tiere schlafen auch bei eisigen Temperaturen draußen, ihr Fell ist deshalb dick und struppig wie das eines Bären.

Zwei Obdachlose sind in diesem Jahr bereits erfroren und ein Hund. Nach dem ersten Toten öffnete die Stammesverwaltung die Tür der Basketballhalle. Sie dient nun als Nachtquartier für die, die kein Zuhause haben – oder kein Holz, um ihr Zuhause zu heizen. Von ihnen gibt es im Reservat leider viele. In der Turnhalle bekommen sie abends auch etwas zu essen. Das Licht bleibt die ganze Nacht an – zum Schutz der anwesenden Frauen und, um Diebstählen vorzubeugen.

Die Turnhalle hat einen Namen: „Billy Mills“. Benannt nach William „Bill“ Mills, Oglala-Lakota und Olympiasieger von Tokio 1964 im 10.000 Meterrennen. Bis heute ist er der einzige Amerikaner, der in dieser Disziplin eine Medaille errang. Bei dem diesjährigen Lakota National Invitational, einem Sportfest für junge Indigene, in der nächst größeren Stadt Rapid City hielt der inzwischen 85-jährige Billy Mills einen Vortrag. Unter anderem erzählte er die Geschichte der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen dem schwarzen US-amerikanischen Olympiasieger im Weitsprung von 1936 in Berlin, Jesse Owen, und dem deutschen Silbermedaillen-Gewinner Luz Long. Während Adolf Hitler bei der Siegerehrung demonstrativ die Zuschauertribüne verlassen hätte, habe der unterlegene Luz Long dem siegreichen Jesse Owen als Erster gratuliert.

Das Pine Ridge Reservat der Oglala-Lakota ist rund halb so groß wie Hessen und hat jüngsten Schätzungen nach knapp 30.000 Einwohner. Die Landschaft ist sanft hügelig mit den berühmten Felsformationen der „Badlands“ im Nordosten.

Im sozialen und gesellschaftlichen Bereich hält das Reservat jedoch einige traurige Rekorde: Das Pro-Kopf-Einkommen ist das niedrigste aller US-Reservate, mehr als die Hälfte der Bewohner lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die Lebenserwartung ist niedriger als in den meisten afrikanischen Ländern. Die Arbeitslosenquote ist dagegen mit fast 90 Prozent eine der höchsten im Land. Bekannt ist das Reservat durch die geschichtsträchtige Ortschaft Wounded Knee: Hier beging die US-Armee im Jahr 1890 ein Massaker, rund 300 Oglala-Lakota, meist Frauen und Kinder wurden ermordet und verscharrt. 1973 besetzten Mitglieder und Anhänger des American Indian Movement den Ort – aus Protest gegen den damaligen Stammesvorstand und die allgemeine Diskriminierung durch die US-Regierung.

PS: Es wurde sogar noch kälter als minus 30 Grad in dieser Nacht. Etwa 50 Obdachlose entkamen der bitteren Kälte und schliefen im Nachtasyl. Die Hunde wurden in einem provisorischen Schutzraum untergebracht. Einige Leute wollen eine dauerhafte Unterkunft für die Tiere einrichten.

Ich geriet bei Wounded Knee mitten in ein heftiges Schneetreiben.

Über den geschichtsträchtigen Ort und das Reservat bald mehr von mir auf Sendung.

Schneegestöber Gedenkstätte Wounded Knee ©Rebecca Hillauer
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