Miss Ruby und Herr Watson: Dallas ganz ländlich
Lake Ray Hubbard im Nordosten des Dallas-Fort Worth-Metroplexes ist ein künstlich angelegter See und misst etwa ein Sechstel des Bodensees. Hubbard war der Vorsitzende der Park- und Erholungsbehörde von 1943 bis 1972. Am Morgen angeln hier am See Schwarze, Hispanics und Asiaten. Einige Weiße führen ihre Hunde Gassi. Oder lassen, am Wochenende, ihre kleinen Motorboote ins Wasser. Eines heißt Mumboo und ist dunkelrot mit Glitter. In der Ferne zieht sich eine sechsspurige Zubringerbrücke über den See, die die Vororte mit Downtown Dallas verbindet.
Dallas ist nach Houston und San Antonio die drittgrößte Stadt im Bundesstaat Texas und die neuntgrößte Stadt der Vereinigten Staaten. Im Dallas-Fort Worth-Metroplex wohnen knapp 8 Mio. Menschen. Wer über 50 denkt nicht an die gleichnamige Fernsehserie aus den späten 1970/80er Jahren mit Larry Hagman als bitterböser J.R.? Gedreht wurden insgesamt 357 Folgen und drei Filme, die vom US-amerikanischen Sender CBS ausgestrahlt wurden.
Der Vorort Heath liegt am vom Stadtzentrum abgewandten Ufer des Lake Ray Hubbard und ist über die Zubringerstraße erreichbar. Einwohnerzahl: rund 10.000. Die größeren Anwesen haben etwas von englischen Landhaus-Verschnitt. Anreiz für viele Hausbesitzer zur Tierhaltung ist sicherlich, dass sie dann, ein Beispiel, statt 10.000 Dollar Grundstückssteuer nur noch 200 Dollar im Jahr zahlen müssen.
Ich bin happy mit meinem ganz speziellen Landhaus-Imitat. Die Eselin Ruby und Lama Watson (der verstorbene Vorgänger hieß Sherlock) sollen Koyoten abschrecken, damit sie keine Ziegen reißen. Offenbar mit Erfolg.
Nach Sonnenuntergang tanzen auf dem Anwesen Glühwürmchen durch die Luft, und an den zwei Weihern sind Zikaden und Ochsenfrösche zu hören und etliches, von dem ich – noch nicht – weiß, was diese Töne hervorbringt. Ab und zu dringt das Heulen von Kojoten durch die Nacht, was manchen Hund in der Nachbarschaft aufschreckt.
Am Morgen: Frühstück in der Sonne unter dem Pavillon am Swimmingpool. Was könnte schöner sein? So friedlich ist es, hier zu sitzen. Ich sehe den Ziegen zu, die auf der Weide grasen. Die Glocken um ihre Hälse klingeln dünn und hell. Watson, das Lama, umkreist die kleine Herde in beschützendem Gestus. Zwischendurch hält er an und macht sein Geschäft. Wenn die Herde nahe des Hauses unter den Bäumen ist, stellt sich Watson auch schon mal in akrobatischer Anmut auf seine Hinterbeine, um vom Baum einen Zweig mit saftigen Blättern zu rupfen.
Und dann sehe ich plötzlich einen Roadrunner am Pool entlang spazieren. Roadrunner leben vor allem im ariden Südwesten der USA. Auf Deutsch nennt man sie Wegekuckuck, Erdkuckuck (weil sie überwiegend auf dem Boden leben und keine Brutschmarotzer sind). Am besten passt aber „Großer Rennkuckuck“. Denn das ist, was der Roadrunner tut. Es wurden Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 32 Stundenkilometern gemessen.
Solch ein Roadrunner trippelt nun am Pool entlang. Die Hintertür ist offen. Dann Geräusche im Waschraum. Dort sitzt der Roadrunner schon auf dem Regal und fragt sich vermutlich, wo er gelandet ist. (Nach dem Fotografieren ließ ich ihn allein, und er rannte weiter seiner Wege.)
Um die Ecke in der nächsten Straße entdecke ich am Straßenrand in hohem Gras ein Schild „Bitte nicht mähen“.
Ich möchte wissen, was dahinter steckt, und werfe eine Notiz in den Briefkasten, dass ich mich über einen Kontakt freuen würde. Zwei Tage später bin ich weiser: Ernie und Becky Burkett melden sich bei mir. Sie haben vor 22 Jahren angefangen, auf vier Hektar ein ökologisches Wildnisgebiet zu erschaffen, das zu 100 % frei von Pestiziden, Herbiziden, Fungiziden und anderen nicht-organischen chemischen Substanzen ist. Dafür arbeiten sie auch mit dem Texas Parks & Wildlife Department zusammen, der staatlichen Naturaufsichtsbehörde.
1996 war die Steuerbegünstigung für Grundstücksbesitzer, die Tierhaltung betreiben, auf den Agrarbereich ausgeweitet worden. Ernie Burkett, der keine Tiere halten, sondern Wildpflanzen renaturieren wollte, sah seine Stunde gekommen. Seine shannonsfarms.com war geboren. Ernie bietet an, mich durch sein Paradies zu führen. Ich nehme die Einladung gern an.